Ein Leben ohne Alkohol: Meine Bilanz nach drei Jahren Verzicht und anschließendem Wiedereinstieg

Einst war mein Leben normal: Ich habe Alkohol getrunken. Feierabendbier, Stadionbier, Wegbier – oft auch mal eins zu viel. Wie konnte aus mir über 38 Monate hinweg ein überzeugter Abstinenzler werden? Und wie geht es nun nach dem ersten Glas weiter?

Vorab soll gesagt sein: Das hier ist keine Challenge (davon gibt es schon genug), sondern ich beschreibe meine Erfahrungen mit einer ungewöhnlich langen Abstinenz. Keinesfalls möchte mit diesem Artikel jemanden bekehren. Denn auch ich habe wunderbare Partys erlebt, auf denen kein Auge trocken geblieben ist. Dort gab es unzählige kuriose Momente und Begegnungen, an die ich auch Jahre später gerne zurückdenke. Und über die viel und laut gelacht wird, wenn sie beim Erzählen mit jeder Runde weiter ausgeschmückt werden.

Das alles gehört in eine andere Zeit: Späte Jugend, Studium, eine Leben mit wenigen Pflichten und Verantwortung allein für sich selbst. Heute, mit Mitte dreißig und als dreifacher Familienvater, liegen die Dinge anders. Und das ist – nüchtern betrachtet (sorry, der Wortwitz musste sein) – vollkommen okay.

Der Morgen danach als Anfang vom Ende

Alles begann mit einem Kater. Nach einer Geburtstagsfeier mit Übernachtung bei Freunden musste ich sehr früh raus, noch vor dem Frühstück packte ich meine Sachen und fuhr nach Hause. Während der gesamten Autofahrt hegte ich ernste Zweifel an meiner Fahrtüchtigkeit, erst am Abend war ich wieder einigermaßen zu gebrauchen. Der Wissen um meine Gedankenlosigkeit im Umgang mit einer Droge lässt mich noch heute mit dem Kopf schütteln. Und mir kam – mal wieder – in den Sinn, eine Pause vom Alkohol einzulegen.

Ein Bier – und noch eins – und noch eins. Ist die Party mal in Gange, gibt es oft kein Halten.
© Bild von Peter Kraayvanger auf Pixabay

Eine Woche war das Ziel. Und schon das war eine gewisse Herausforderung: Zwar würde ich schwören, kein Problem mit dem Alkohol gehabt zu haben. Jedoch verging in den letzten Jahren kaum eine Woche, in der kein Gläschen gehoben oder keine Flasche an den Hals gesetzt wurde. Klingt das verdächtig, ist das ein Geständnis?

Wie dem auch sei. Nachdem ich eine Woche lang durchgehalten hatte, war mein Ehrgeiz geweckt. Ich hatte eine Strichliste angelegt und wollte die Serie aufrechterhalten. Aus sieben Tagen wurden vier Wochen, aus einem Monat wurden 365 Tage – und auf einmal zählte ich in Jahren.

Tipp: Wer seinen Fortschritt dokumentiert, erhöht die Wahrscheinlichkeit fürs Durchhalten erheblich. Hierfür gibt es gute Apps – mir genügte ein kleines Notizheft. Jeder Tag ein Strich, jeder Strich ein Erfolg. So wird visualisiert, was nicht machbar erscheint.

Alkoholfrei: Gesund, fair und klar

Mein neues Leben ohne Alkohol machte sich sofort bezahlt.

In den ersten sechs Monaten habe ich zehn Prozent meines Körpergewichts verloren. Nachdem ich jahrelang auf zu hohem Niveau verharrte, hatte ich endlich einen Hebel gefunden. Das Fingerlassen vom Alkohol löste einen sich selbst verstärkenden Effekt aus: Ich habe generell mehr über Ernährung nachgedacht und allein dadurch weniger genascht. Und um auf Nummer sicher zu gehen, bin ich anfangs zusätzlich jeden Tag mindestens eine Stunde spazieren gegangen (besser als gar kein Sport).

Ebenfalls sehr gewinnbringend ist es, dass mir die Kinderbetreuung an Tagen nach großen Feiern deutlich leichter fällt. Wer schon einmal mit Hangover zwei oder drei Kleinkinder beschäftigen musste, kennt das sicherlich. Die Lautstärke, die Energie und Fragen des Nachwuchses können den Leidenden vollends zerstören. Auch ist es den Kleinen gegenüber unfair, den Sonntag kraft- und lustlos herumzuschleichen und die eigenen Wunden zu lecken. Denn Kinder können nichts dafür, dass Papa am Abend zuvor fünfmal das letzte Bier getrunken hat.

Nach etwa vier Monaten kam der ultimative Test: Freunde haben geheiratet. – Taxi? Brauchte ich nicht, ich bin einfach selbst gefahren.

Auch die Feier-Hürde war damit gemeistert. Zu meiner Überraschung hatte ich meist nicht weniger Spaß als im Rauschzustand. Vor allem konnte ich mich auch nach Mitternacht noch in Gespräche einbringen und eloquente Wortwitze kreieren (eine absolute Leidenschaft von mir, siehe oben). Am nächsten Morgen um acht Uhr aufstehen und den Haushalt schmeißen, das war kein Problem. Diese Erfahrung hat mich weiter beflügelt – ich auf eine neue Art berauscht.

Leichte Ungläubigkeit und Durchhaltewille

Bemerkenswert waren die Reaktionen in der Familie und von Freunden. Wer mich kennt, zeigte sich mitunter erstaunt oder gar ungläubig über meine veränderte Einstellung. Unterstützung und Ansporn zum Durchhalten gab es dagegen eher selten. Vielmehr wurde vermutet, dass ich irgendwann schon wieder zur Vernunft käme. Vielleicht lag es auch daran, dass ich beim Erklären nervös wurde und dadurch nicht immer überzeugend wirkte.

In gewisser Weise war die Abstinenz eine Form der Isolation. Doch ich blieb in der Spur, weil ich mich erinnerte, wie ich nach zwölf Jahren von einem Tag auf den anderen mit dem Rauchen aufhörte. Um es mir leichter zu machen und ein mögliches Scheitern abzumildern, wollte ich mir damals zugestehen, zu besonderen Anlässen auch mal eine Zigarette mitzurauchen. Doch diese Hintertür wurde letztlich nie genutzt und unter keinen Umständen würde ich mir heute nochmal einen Glimmstängel anzünden.

Ganz oder gar nicht – anders geht es nicht

Der Hauptgrund für die erfolgreiche Umstellung war die Radikalität: Durch den selbst auferlegten Komplettverzicht ist es unmöglich, sich selbst zu bescheißen. Wer einfach nur „weniger“ trinken möchte, wird scheitern.

Apropos Geschmack: Alkoholfreies Bier kann sehr gut schmecken, wenn man sich ein wenig Zeit gibt, sich daran zu gewöhnen. Vor Jahren habe ich in Bezug auf diese kulinarische Alternative stets betont, wie seltsam dieses Null-Komma-Null-Zeug doch schmecke. Heute freue ich mich auf mein alkoholfreies Feierabendbier. Eigentlich ein Unding, dass es durch die komplizierte Herstellung teurer ist als das Original mit fünf Prozent.

Es mag abgedroschen klingen, aber ich habe gelernt: Alles ist möglich. Die Abstinenz war ungeplant, aber sie war eine tolle Erfahrung. Seit Ostern 2022, die Kinder sind aus dem Gröbsten raus, trinke ich wieder vorsichtig. Aber immer schön piano, den ich weiß aus meinem Selbstversuch, dass mir auch ohne Alkohol nichts fehlte. Weitere Veränderungen sind nicht ausgeschlossen: Seit einiger Zeit esse ich kaum noch Fleisch und Wurst – wer weiß, was als nächstes kommt.

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Letztes Update: März 2024

4 Gedanken zu „Ein Leben ohne Alkohol: Meine Bilanz nach drei Jahren Verzicht und anschließendem Wiedereinstieg“

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