Mehr Produktivität wird in nahezu allen Lebensbereichen angestrebt. Auch von mir. Viele Menschen leben von Tipps, Hacks und schlauen Ratschlägen. Doch wie geht man damit um, wenn die erhoffte Selbstoptimierung gescheitert ist?

Was mich trieb und was dann geschah
Ich habe mir vor Jahren ein Schneller-Lesen-Buch gekauft. Im Studium gab es immer mehr Literaturempfehlungen, als ich realistisch lesen konnte. Mitten im Semester lief mir mal wieder die Zeit davon. Der Klappentext des Bestsellers versprach, man könne nach dem Durcharbeiten rascher lesen und dabei sogar mehr Informationen aufnehmen – genau das, was ich anstrebte (Stichwort: Speed Reading). Neben Tipps und Übungen wurde mir auch erklärt, was viele Menschen beim Lesen grundsätzlich falsch machen – genau das, was ich nicht brauchte.
Nach der Lektüre der ersten Hälfte war alles schlimmer als zuvor: Ständig merkte ich, welche Fehler ich seit der Grundschule mitschleppe (vor allem das laute Mitlesen im Kopf, und als Folge eine zu langsame Lesegeschwindigkeit, die die Gedanken abschweifen lässt). Die Erkenntnis machte mich grummelig und kratzt bis heute an meinem Selbstverständnis: Schnelllesen ist für Akademiker doch ein Muss, oder nicht? Und je mehr ich versuchte, die Techniken anzuwenden, desto verkrampfter wurde es.
Bin ich wirklich gescheitert?
Meine Selbstoptimierung war gescheitert und ich beschloss, einfach so weiterzumachen wie bisher. Etwas Besseres fiel mir nicht ein und außerdem hatte ich sowieso keine Zeit für weitere Versuche. Letztlich habe ich den Master mit einer Eins vor dem Komma in Regelstudienzeit abgeschlossen. Ich denke, meine Lesefähigkeiten dürften genügen.
Wer loslässt und nicht alles auf Effizienz trimmt, ist ohnehin gut beraten. Denn nicht alle Tipps lassen sich von allen Menschen gleichermaßen umsetzen. Und manchmal gelingt es sogar, von jetzt auf gleich Gewohnheiten radikal zu verändern.
Lösung: Das Zeitsparen fängt schon mit der Auswahl der Lektüre an. Gute Texte mit stringentem Aufbau sind interessant und bleiben hängen. Auch sollte man beim Lesen ausgeruht sein und den Kopf frei haben. Und wer mehr ließt, wird mit jedem Buch auch ohne Ratgeber flinker.
In diesem Zusammenhang lesenswert:
Kritische Beurteilung einer Speed-Reading-Studie durch einen Speed-Reading-Anbieter.