Sportwetten spielen in der Freizeit: Kann das gutgehen?

In meiner Freizeit beobachte ich Zahlen. Denn das Spielen von Sportwetten gehört seit Jahren zu meinem Leben. Im folgenden Artikel erörtere ich, ob das langfristig ohne Schaden funktionieren kann. Und worauf es ankommt.

Ich schaue leidenschaftlich gerne Sport im Fernsehen und ich mag Statistiken. Sportwetten zu spielen hat daher auf mich eine hohe Anziehungskraft. Und es ist ein wunderbarer Zeitvertreib, sofern man den Sportwettenmarkt zumindest grob versteht. Ist diese Bedingung nicht erfüllt, ist das Suchtpotenzial enorm und übermäßiges Spielen kann in den finanziellen Ruin führen. Im Gegensatz zu Casino-Spielen sind Sportwetten jedoch kein Glücksspiel und nicht per se gefährlich.

Transparenz: Um Missverständnisse zu vermeiden: Ich spiele seit mehreren Jahren und mache keine Gewinne mit Sportwetten. Und niemals werde ich jemandem dazu raten, sein Glück zu versuchen.

Den Grundgedanken beim Spielen einer Sportwette verstehen

Die Herausforderung bei Sportwetten besteht darin, eine grundlegende Denkweise zu verinnerlichen: Das einzelne Spiel ist ein Zufallsereignis, das mehrere Ausgänge haben kann – aber letztlich nur eine Ausprägung annimmt. Zwar gibt es für jede Begegnung eine wahre Wahrscheinlichkeitsverteilung für die gesamte Bandbreite möglicher Spielausgänge. Diese ist aber selbst im Nachhinein nicht ermittelbar. Denn: Es hätte immer auch anders ausgehen können.

Angenommen, der Münzwurf vor dem Spiel hätte dazu geführt, dass die andere Mannschaft Anstoß gehabt hätte: So wäre ein gänzlich anderes Spiel entstanden, da der erste Pass in die andere Richtung gespielt worden wäre. Oder ein Spieler wird von einem Zuschauerruf irritiert und spielt daraufhin einen Fehlpass. Auch in diesem Fall nimmt das Spiel anschließend einen komplett anderen Verlauf als ohne die Ablenkung von der Tribüne.

Die Frage vor Spielbeginn lautet also: Wenn dieses Spiel heute Nachmittag 100-mal stattfinden würde, wie wäre die Verteilung der Ergebnisse. Sicherlich würde es nicht immer 2:0 ausgehen, sondern vielleicht nur 13-mal, ein 1:4 käme vielleicht nur 3-mal zustande. Bei einer hohen Anzahl von Wiederholungen spielt es keine Rolle, welche Umstände zum Resultat geführt haben. Selbst eine krasse Fehlentscheidung des Schiedsrichters ist im Einzelfall völlig unerheblich. Denn auch die Fähigkeiten und Eigenschaften des Unparteiischen müssen vom Sportwetter in die von ihm angenommene Wahrscheinlichkeitsverteilung einbezogen werden.

Die Spannung von Wetten liegt vor dem Anpfiff

In der Werbung wird über Sportwetten ein falsches Bild gezeichnet: Dort sieht man düstere Gestalten mit Kapuzen-Pullover, die mit dem Smartphone in der Hand durch schlecht beleuchtete Unterführungen huschen. Anderswo jubeln junge Männer in der Kneipe und verschütten ihr Bier, wenn ihre Wette aufgeht. Nach meiner Erfahrung hat das nichts mit dem Spielen von Wetten zu tun. Denn die eigentliche Spannung erlebe ich vor dem Anpfiff – ganz bodenständig auf dem Sofa.

Nach einer mal mehr, mal weniger langen Recherche platziere ich die Wette manchmal bereits mehrere Tage vor Spielbeginn. Wenn die Quote auf das Ereignis von 1,8 auf 1,9 steigt, ist das ärgerlich. Da hilft es dann auch nicht, wenn die Wette später doch aufgeht. Denn ich hätte mit etwas Geduld für jeden eingesetzten Euro 10 Cent mehr eingespielt. Sofern keine entscheidenden neuen Informationen über Verletzungen oder Trainerwechsel öffentlich werden, liegt der Quotenanstieg schlicht am Herdenverhalten der Marktteilnehmer.

Umgekehrt gibt es auch immer wieder Tipps, bei denen eine mit 1,7 gespielte Quote bis zum Spielbeginn auf 1,5 fällt. Übersetzt bedeutet das Folgendes: Bei Wettabgabe konnte ich damit leben, dass das Ereignis in 3 von 5 Fällen eintritt. Kurz vor Spielbeginn hätten dagegen für eine ausgeglichene Bilanz 2 von 3 Wetten gewonnen werden müssen.

Empfehlung: Um Quotenverläufe zu studieren und das eigene Verhalten zu optimieren, nutze ich OddsPortal.com als Hilfsmittel. Die Plattform ist kostenfrei und bietet viele Funktionen, die ich für mein Spielen sehr gut nutzen kann.

Buchführung ist bei Wetten zwingend notwendig

Sportwetten müssen nicht teuer sein. In meiner persönlichen Bilanz habe ich nach nunmehr 445 (erfassten) Spielen mit meinem Standardeinsatz von einem Euro einen Verlust von 19,53 Euro eingefahren. Das entspricht deutlich unter fünf Prozent meines Umsatzes, nämlich genau 4,4 Cents pro Wette. Das ist ein überschaubarer Verlust, den ich auch gegenüber meiner Familie vertreten kann.

Analysetabellen für Sportwetten
Auf das Gefühl ist kein Verlass: Wer regelmäßig Sportwetten spielt, sollte Buch führen. Nur so kann man Verluste begrenzen und eigene Stärken bei Wettarten und Sportarten erkennen.

Dass mein Minus okay ist – denn nur das kann ein realistisches Ziel sein –, erkannte ich erst durch eine penible Buchführung. In den ersten Jahren habe ich das leider noch nicht beherzigt, seit 2018 bin ich sehr konsequent. Die strenge Erfassung ist aus meiner Sicht unerlässlich, um einer gefährlichen Selbstüberschätzung entgegenzuwirken. Je genauer die Auswertung, desto besser.

Analyse: Pivot-Tabellen in Excel liefern Wettern tiefe Erkenntnisse, in welchen Sportarten und Ligen die Ergebnisse stimmen. Denn das Gefühl kann trügerisch sein: Wer am liebsten auf Fußball wettet, kann durch gezielte Auswertungen erkennen, dass er im Tennis vielleicht deutlich besser abschneidet.

Buchtipp: Wie treffen Menschen Entscheidungen – und welche Fehler machen sie dabei? Diese und weitere Fragen beantwortet Nobelpreisträger Daniel Kahnemann in seinem Werk Schnelles Denken, langsames Denken (Penguin Verlag, englische Originalausgabe 2011).

Der Blick auf eine lange Zeitreihe hilft dabei, gefährliche Emotionen zu kontrollieren. Das einzelne Spiel wird weniger wichtig, je mehr Spiele man gespielt hat. Es setzt sich die Denkweise durch, dass man bei einer Partie niemals den Einsatz verliert, sondern stets den individuellen durchschnittlichen Anteil – bei mir also vier Prozent des Einsatzes. Gleiches würde selbstverständlich auch für Gewinne gelten.

Nichtsdestotrotz sind tatsächlich getätigte Einsätze sehr wichtig, da sie das Wesen einer Sportwette ausmachen und die Entscheidung beim Setzen maßgeblich beeinflussen – die Höhe ist eher zweitrangig. Das ist wie beim Pokerspielen oder dem Anlegen eines Aktiendepots. Solange man kein wirkliches Risiko eingeht, kann man auf alles Mögliche wetten. Ohne dafür im Gegenzug auch Chancen zu erhalten.

Tipp: Lesenswert ist der Blog von QuotenWilly. Dort finden sich eine Reihe von theoretischen Überlegungen und praktische Tipps rund um das Thema Sportwetten. Auch der YouTube-Kanal ist sehr empfehlenswert.

Das Virus, das vieles veränderte

Das Coronavirus hat die gesamte Welt zum Stillstand verdammt. Die Einschnitte für die Sportwelt ab März 2020 waren gewaltig. Als wären alle Sportarten in einer gleichzeitigen Saisonpause, gab es von einem Moment auf den anderen in Bezug auf Unterhaltung durch Bälle, Pucks und quietschende Reifen. Alles pausiert, verschoben, oder gleich ganz abgesagt.

Für Sportwetter war der Lockdown aber auch eine Gelegenheit, das Spielverhalten zu reflektieren. Das individuelle Verlangen konnte daran festgemacht werden, ob man auch mal für ein paar Wochen ohne Quotenanalysen und Tippscheine auskam. Wer sich plötzlich im belarussischen Fußball umtat, sollte vor sich selbst gewarnt sein.

Die Rückkehr nach der Corona-Zwangspause war nicht leicht. So wie den Sportlern die Spielpraxis fehlt, müssen auch die Tipper wieder eine Routine aufbauen und ihr Wissen auffrischen. Wer ist verletzt, wie ist die Form der Teams, welche Tabellensituation herrscht eigentlich. All das musste beim Hochfahren mit einigem Aufwand zurück auf den Schirm geholt werden. Wie in allen anderen Bereichen den Lebens, die nach und nach zur Normalität zurückkehren, ist auch beim Wetten Geduld und Weitblick gefragt.

Sich selbst kennenlernen und weiterentwickeln

Das Spielen von Sportwetten offenbart viel über den eigenen Charakter. In den vergangenen Jahren habe ich mehrere Phasen durchlaufen und meine Selbstwahrnehmung geschärft. Nicht in jedem Fall waren die Emotionen positiv, aber immer lehrreich. Folgendes konnte ich feststellen:

  • Ich bin risikoscheu: Bei Einsätzen oberhalb von zwei Euro fühle ich mich unwohl. Mit meiner „Immer nur ein Euro Einsatz“-Strategie fahre ich gut.*
  • Mein Verhalten ist wiederkehrend irrational: Trotz meines theoretischen Wissens über die Zusammenhänge begehe ich noch immer Anfängerfehler. Ich analysiere zu wenig, spiele zu viele Ligen und lasse mich sowohl von Sieges- als auch Verluststrähnen emotional zu stark beeinflussen.
  • Ich bin reflektiert: Meine Schwächen sind mir bewusst und ich versuche, daraus zu lernen. Trotz meiner langfristigen Verluste spiele ich gerne und gelassen weiter.

* Einschlägige Artikel rechnen Beispiele oft mit 50 Euro Einsatz oder mehr, um Einsteiger an die Grundlagen heranzuführen. Das sehe ich äußert kritisch: Auf diese Weise wird Anfängern suggeriert, diese Setzsumme sei normal. Was normal ist, sind durchschnittlich fünf bis zehn Prozent Verlust. Bei 50 eingesetzten Euro also 2,50 bis 5,00 Euro – leider wissen das die wenigsten.

Hinweis: Das Spielen von Sportwetten kann zur Sucht werden. Sofern die Vermutung besteht, dass das eigene Verhalten ein ungesundes Ausmaß annimmt, ist professionelle Hilfe erforderlich. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) unterhält eine kostenlose Servicenummer zur Glückspielsucht.

Wie lautet nun das Fazit? Aus meiner Sicht ist es möglich, Sportwetten in der Freizeit zu spielen und Spaß daran zu haben. Es ist wie mit anderen Hobbys auch: In wohldosierten Einheiten ist es vollkommen in Ordnung. Und mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag 2021 soll das Wetten aus der Grauzone heraus in die Legalität eintreten.

Doch die negativen Schlagzeilen mehren sich, gerade vor dem Inkrafttreten zum 1. Juli 2021. Besonders heftig traf es den Marktführer Tipico – der Vorwurf: Geldwäsche. Insgesamt stehen alle Anbieter im Verdacht, kriminelle und suchgefährdende Praktiken nicht konsequent zu verfolgen. Warum auch? Es steckt zu viel Geld im System, die Kontrolle ist mangelhaft.

Sportwetten spielen bleibt ambivalent.

Letztes Update: Juli 2022