Volkswirt aus der DDR

Welche Reaktion kann man erwarten, wenn man sich als Volkswirt outet? Ich habe gedacht, seit Adam Smith ist das Fach in akademischen Kreisen bekannt. Doch ich erlebte eine faustdicke Überraschung.

Planvolles Wirtschaften ist kein Alleinstellungsmerkmal sozialistischer Regime, sondern überall gefordert. © Bild von jconejo auf Pixabay.

Neulich war ich Gast auf einer privaten Geburtstagsfeier. Wichtig zu wissen: Ich bin gebürtiger Brandenburger, und das hört an meinem Dialekt. Die Feier fand in Schleswig-Holstein statt, es waren viele „Einheimische“ anwesend.

Im Laufe eines Gesprächs fragte mich eine dieser Einheimischen nach meinem Beruf – ein Klassiker im Party-Smalltalk. „Ich bin Volkswirt“, antwortete ich wahrheitsgemäß und bereitete mich auf mögliche Themen vor (Wirtschaftskrise, Staatsverschuldung, Fachkräftemangel).

Kurze Pause, fragender Blick: „Aha, was heißt das genau?“ Innerliches Durchatmen, diese Situation war mir vertraut. Dabei ist die Antwort eigentlich relativ einfach, wenn man überlegt, was ein Betriebswirt, Gastwirt, Landwirt oder Forstwirt so treibt. Aber okay, dann eben noch einmal von vorn.

„Nun ja“, begann ich zu umreißen, „Volkswirte befassen sich mit der Verteilung knapper Güter im ganzen Land. Im weitesten Sinne also Themen, die in den Nachrichten im Politik-Teil laufen.“ Ach so, meinte meine Gesprächspartnerin, das habe sie nicht gewusst. Und dann der Knaller: „Ich komme nicht aus dem Osten.“ Bäääm!

Ich schob noch hinterher, dass Volkswirtschaftslehre nichts mit Sozialismus und Planwirtschaft zu tun hat. Aber irgendwie schien sie an der Erklärung nicht interessiert. Ich war halt der Volkswirt aus der DDR. Das Gespräch versandete. Zwei Minuten zuvor hatte sie mir ihren Beruf verraten: Lehrerin.

Lösung: Beim nächsten Mal könnte ich vielleicht eine andere Reihenfolge wählen: Erst erklären, was man konkret macht. Und erst dann das Kind beim Namen nennen. Ich werde es versuchen.

Letztes Update: Februar 2023